Die Marquise von O. ist eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und führt seit dem Tode ihres Mannes ein äußerst zurückgezogenes Leben bei ihren Eltern. Eine zweite Vermählung lehnt sie ab. Sie widmet sich ganz ihren Pflichten als Mutter und Tochter. Doch dann bricht der Albtraum des Krieges über sie herein. Sie, die Pflichtbewusste, Enthaltsame, wird beinahe das Opfer einer Vergewaltigung. Gerade noch rechtzeitig kann ein junger russischer Leutnant sie retten. Ein Engel scheint er ihr zu sein. Sie verlieben sich rettungslos – auch sie, die doch nicht mehr lieben will. Als alles zu viel wird, sinkt sie in Ohnmacht. Wochen später stellt sie fest, dass sie schwanger ist. Aber von wem? Und wie? Ihre Eltern verlangen Aufklärung über den Kindsvater. Ein heftiger Familienstreit entbrennt, an dessen Ende der Vater ihr das Umgangsrecht mit ihren Kindern entzieht und sie kurzerhand vor die Tür setzt.
Auf die nächstliegende Möglichkeit kommt niemand. Um nicht irre zu werden, klammert sich die Marquise an das Einzige, was ihr geblieben ist: das Kind in ihr. Und sie fasst einen ungewöhnlichen Entschluss: Dem Spott der Welt zum Trotz veröffentlicht sie in der Zeitung eine Annonce, in welcher sie den Kindsvater auffordert sich zu melden, sie wäre entschlossen, ihn zu heiraten, wer immer er auch sei. Und tatsächlich hat sie Erfolg, der Gesuchte taucht auf und ist – ausgerechnet der junge russische Leutnant. Die Eltern sind erleichtert, die Marquise hingegen erschüttert. Ausgerechnet ihr Engel scheint in Wahrheit ein Teufel zu sein.
Erstmals erschien Heinrich von Kleists berühmte Novelle von Liebe, Scham und der Selbstfindung des Menschen im Februar 1808 in der Literaturzeitschrift Phöbus – und schockierte die meisten Leser. Heutzutage wird das Werk im Deutschunterricht behandelt.
Am Dienstag, 3. Dezember, zeigt das Theater Wahlverwandte seine Inszenierung der Kleist‘schen Novelle um 19.30 Uhr im Kurhaus Bad Hamm. Wer ein bisschen mehr über Hintergründe, Fakten und Besonderheiten erfahren möchte, ist herzlich zum Einführungsgespräch um 18.45 Uhr eingeladen.
Regisseurin Silvia Armbruster gelingt gekonnt die Balance zwischen Werktreue und moderner Inszenierung und beweist, dass die „Marquise“ auch nach mehr als 200 Jahren noch aktuell und sehenswert ist. Das spielfreudige Ensemble rund um die gebürtige Österreicherin Lisa Wildmann in der Titelrolle sorgt für packende wie höchst unterhaltsame Momente.
1998 gründete sich das Theater Wahlverwandte mit dem Ziel, die Modernität, das Zeitgemäße literarischer wie musikalischer Vorlagen aufzuspüren und lebendig nach heute zu transportieren. Bewusst setzt man sich von einer Fernseh-Ästhetik ab und betont stattdessen den „Live-Charakter“ des Theaters.
Quelle: Stadt Hamm