„Wir raten dringend davon ab, bei der geplanten gesetzlichen Normierung die ‚7-Tages-Inzidenz‘ als alleinige Bemessungsgrundlage für antipandemische Schutzmaßnahmen zu definieren.“
In einem offenen Schreiben an den Deutschen Bundestag, das der WELT (Onlineausgabe) vorliegt, fordern zwei namhafte Gesundheitsexperten vor dem Hintergrund der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes dringend ein Umdenken.
Detlev Krüger ist langjähriger früherer Chefvirologe der Berliner Charité, Klaus Stöhrehemaliger Leiter des Globalen Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Beide lehnen einige Lockdown-Maßnahmen der deutschen Politik gegen Corona strikt ab.
In ihrem Brief an den Bundestag gehen sie scharf mit der vorgesehen Koppelung von strikten Beschränkungen an Inzidenzwerte ins Gericht:
Der Inzidenzwert (schon ab 100 soll der Einzelhandel schließen und sollen nächtliche Ausgangssperren greifen) gebe
„aufgrund der durchaus erwünschten Ausweitung von Testaktivitäten zunehmend weniger die Krankheitslast in der Gesellschaft wieder“.
Mit anderen Worten: Es wird (wünschenswert) mehr getestet, um das Dunkelfeld der Infektionen aufzuhellen – dadurch steigt aber natürlich auch die Zahl der entdeckten Infektionen und somit die Inzidenz.
Und:
„Die …Inzidenz differenziert nicht, in welchen Altersgruppen, Lebensräumen und Bevölkerungsgruppen Infektionen auftreten. Eine gleich hohe Inzidenz kann dramatisch unterschiedliche Bedeutung haben …“
So ermögliche das vorgesehene Gesetz,
… dass auch bei einer geringen Belegung von Krankenhäusern mit Covid-Patienten „massive Einschränkungen der Freiheitsrechte mit gravierenden Auswirkungen auf Wirtschaft, Kultur und die körperliche und seelische Gesundheit erfolgen müssten“.
Die beiden Virologen plädieren statt dessen dafür, statt auf die Inzidenz die täglichen Neuaufnahmen auf den Intensivstationen als Maßstab zu nehmen.
Krüger hatte in einem Interview mit der WELT vor zwei Monaten gesagt: „Man sollte Respekt vor diesem Virus haben, aber Angst ist völlig fehl am Platz.“
Offener Brief an den Deutschen Bundestag