Kein Lohn mehr für Ungeimpfte bei Quarantäne: Zweifel an Rechtmäßigkeit/Beamte nicht betroffen

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Coronaimpfung, Quelle Pixabay

Keine Lohnfortzahlung mehr für Erwerbstätige, die nicht gegen Covid geimpft oder genesen sind und in Quarantäne müssen. Bedeutet 14 Tage Lohnausfall – ein halbes Monatsgehalt entfällt.

Zum heutigen Montag, 11. Oktober, tritt eine von zahlreichen Verbänden (auch der Gewerkschaft) massiv kritisierte Verschärfung in NRW in Kraft. Betroffen sind Erwerbstätige ohne Covid-19-Impfschutz.

Allerdings auch nicht alle Erwerbstätige – für Beamte gilt die Regel nicht. Und der Deutsche Gewerkschaftsbund zweifelt die Rechtmäßigkeit generell an.

Die Landesregierung beruft sich auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) des Bundes (§ 56 Abs. 1 IfSG).

Bei einer 14-tägigen Quarantäne bedeutet das den Verlust eines halben Monatsgehaltes.

Die Lohnfortzahlung endet für Nichtgeimpfte damit am selben Tag, an dem auch die bisher vom Steuerzahler finanzierten Bürgertests selbst bezahlt werden müssen.

Während sich die Landesregierung von diesen Maßnahmen einen „positiven“ Druck auf Ungeimpfte verspricht, sich doch zur Impfung zu entschließen, halten z. B. der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach oder der Grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Palmer, solche Regelungen für absolut kontraproduktiv.

Lauterbach, sonst für den Ruf nach strengen Regeln bekannt, kritisierte in der Fernsehtalkshow „Maybritt Illner“, dass die Streichung der Lohnfortzahlung Impfunwillige erst recht in eine „Jetzt gerade nicht!“-Haltung treibe und außerdem dazu führen werde, dass nicht geimpfte Menschen möglichst jede (wichtige) Testung vermeiden und sich der Kontaktverfolgung entziehen würden – damit sie nicht in Quarantäne müssen.

Denn ein halbes Monatsgehalt zu verlieren sei äußerst hart und aus Lauterbachs Sicht vollkommen unverhältnismäßig.

  • Ausgenommen von der Regelung bleiben weiterhin Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.
  • Auch Genesene und Geimpfte, die aufgrund von Impfdurchbrüchen oder Neuerkrankungen in Quarantäne müssen, haben weiterhin einen Anspruch auf eine Verdienstausfallentschädigung.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann verteidigt diese harte Linie:

„Wir haben es mit einer Pandemie der Ungeimpften zu tun. Alle Expertinnen und Experten sind sich einig, dass das Impfen ein sehr wirksamer Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus ist.

Wer sich also die Freiheit herausnimmt, sich nicht impfen zu lassen, obwohl medizinisch nichts dagegenspricht, steht für die Folgen seiner Entscheidung selbst ein – nicht der Arbeitgeber, nicht die Solidargemeinschaft.

Und ebenso muss klar sein: Wer sich aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder einer Schwangerschaft nicht impfen lassen kann, wird selbstverständlich weiterhin eben diese Unterstützung der Solidargemeinschaft erhalten.“

Das Land führt erläuternd aus:

„Bislang erhalten Betroffene, die sich in behördlich angeordneter Quarantäne befinden, auch dann – entgegen dem Wortlaut des IfSG – eine Verdienstausfallentschädigung, wenn sie nicht gegen Covid-19 geimpft sind. Grund hierfür war ein in der Vergangenheit nicht flächendeckend zur Verfügung stehendes Impfangebot und die erst vergleichsweise kurze Zulassung der Covid-Impfstoffe. Mittlerweile steht ein flächendeckendes Impfangebot zur Verfügung, so dass dieser Grund für diese Ausnahmeregelung entfällt.“

Bislang hat Nordrhein-Westfalen 120 Millionen Euro für Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 Abs. 1 IfSG aufgewendet.

Gewerkschaft zweifelt an der Rechtmäßigkeit

Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist die Rechtsmäßigkeit der neuen Lohnfortzahlung-Verschärfung alles andere als klar. Er stellt fest:

„Beschäftigte, die durch die Quarantäne einen Verdienstausfall erleiden, haben grundsätzlich Anspruch auf eine Entschädigung ihres Verdienstausfalls durch den Staat (§ 56 Abs. 1 IfSG).

Dieses Recht entfällt zwar, wenn die Quarantäneanordnung durch eine Schutzimpfung, die öffentlich empfohlen wurde, vermeidbar gewesen wäre (§ 56 Abs. 1 S. 4 IfSG).

Allerdings ist derzeit nicht geklärt, ob sich durch die Inanspruchnahme der Corona-Schutzimpfung die Quarantäneanordnung tatsächlich vermeiden lässt.

Nach einer aktuellen Entscheidung können auch Personen trotz Impfung als Ansteckungsverdächtige gelten und deshalb unter Quarantäne gestellt werden (VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 15.03.2021 – 5 L 242/2; 5 L 243/21 dagegen VG Münster v. 19.04.2021 – 5 L 255/21; VGH BaWü v. 09.04.2021 – 1 S 1108/21).

Im Umkehrschluss ist daher zweifelhaft, ob diejenigen, die trotz Möglichkeit nicht geimpft sind, aufgrund der fehlenden Impfung von der Entschädigungszahlung bei angeordneter Quarantäne ausgeschlossen werden können.

In jedem Fall sind Beschäftigte aus ihrem Arbeitsvertrag gegenüber den Arbeitgebern nicht verpflichtet, Angaben zum Impfstatus für die Beantragung der Entschädigungszahlung nach dem IfSG zu machen.

Verweigert der Arbeitgeber die Vorleistung der Entschädigung mit der Begründung, ihm fehlt eine Information zum Impfstatus, ist den Beschäftigten zu empfehlen, sich direkt an die zuständige Gesundheitsbehörde zu wenden.In den verschiedenen Fallkonstellationen, in denen aufgrund der nicht vorliegenden Impfung rechtliche Konsequenzen angedroht werden, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Hier empfiehlt sich eine Rechtsberatung – für Gewerkschaftsmitglieder über den gewerkschaftlichen Rechtsschutz.

Beamte genießen Sonderstatus

Ein weiterer Streitpunkt: Staatsdiener, die Beamte sind, sind von der Verschärfung ausgenommen. Ein Sprecher des Beamtenbunds betonte gegenüber der BILD:

„Die Beamtenbesoldung ist kein Arbeitslohn im herkömmlichen Sinne, sondern beruht auf dem Alimentationsprinzip. Eingriffe in die Alimentation müssten daher auf Länder- und/oder Bundesebene gesondert gesetzlich geregelt werden.“

Eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes reiche nicht aus, um das Besoldungsgesetz zu umgehen. Und dieses Gesetz jeweils zu ändern sei enorm schwierig.

Der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, will die Frage der Lohnfortzahlung vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. Er glaube nicht daran, dass diese Entscheidung der Gesundheitsminister durchsetzbar sei.

„Meine Sorge ist, dass Leute zum Lügen gezwungen werden. Wenn sie ehrlich sind, bekommen sie kein Geld, wenn sie ein Rückenleiden erfinden, schon.“

Quelle: RB Unna / Silvia Rinke

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