Kontaktverbot, Maske, 15-km-Leine – Die häufigsten Falschbehauptungen rund um Corona

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Coronaviren - Symbolbild Pixabay

„Bleibt zu Hause!“ – „Schulen und Kitas bleiben geschlossen!“ – „Besuch bei den Großeltern nur noch mit einer Person erlaubt!“ – Häh? Ähem. Fragezeichen! Was denn nun?

Was darf ich noch, was darf ich nicht, was ist verboten, was war hingegen immer erlaubt?

Nichts stiftet seit fast einem Jahr Corona-Ausnahmezustand inzwischen mehr Verwirrung als die ständig veränderten, erneuerten, verlängerten, „angepassten“ Beschränkungen im Alltag der Menschen. Vorab: Wir verstehen das.

Wir blicken selbst zuweilen kaum noch durch. Umso bemühter versuchen wir auf alle ratlosen bis verzweifelte Lesernachfragen (die uns mit jeder neuen Regel gehäufter erreichen) korrekt und verständlich zu antworten.

Da uns dies möglicherweise im hektischen Nachrichtenalltag nicht immer gelingt, hier einmal eine Übersicht über die häufigsten Falschbehauptungen, Halbwahrheiten und Fast-Wahrheiten rund um die Coronabeschränkungen.

Die Grundlage aller Beschränkungen bildet die Coronaschutzverordnung NRW, hier in der aktuellen Fassung im Wortlaut nachzulesen.

„Man muss jetzt überall FFP2-Maske tragen!“

Diese Behauptung ist gleich zweifach falsch bzw. halbwahr. Mit der geänderten Fassung der Coronaschutzverordnung NRW mit Gültigkeit vom 25. 1. bis 14. 2. 2021 reichen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), beim Einkaufen, beim Besuch von Arztpraxen u. ä. die herkömmlichen „Alltagsmasken“ aus Stoff nicht mehr aus.

Statt dessen (oder zusätzlich) müssen „medizinische Masken“ getragen werden – das können FFP2-Masken sein, das können aber genauso gut schlichte dünne OP-Masken sein, die, meist in Blau, für ein paar Euro in 50er-Paketen erhältlich ist.

„Überall“ sind diese medizinischen Masken auch nicht Pflicht, sondern eben beim Einkaufen, beim Bus- und Bahnfahren, wenn man einen Arztbesuch o. ä. macht oder in der Kirche einen Gottesdienst besucht.

Leeres Klassenzimmer / Archivbild Rundblick Unna

„Schulen und Kitas bleiben geschlossen!“

Das würde voraussetzen, dass sie jemals geschlossen waren. Waren sie nicht und sind sie nicht.

Für die Schulen, sowohl die Grund- wie die weiterführenden, hat das Schulministerium NRW bereits vor den Weihnachtsferien die Präsenzpflicht ausgesetzt. Eltern von Kindern bis einschließlich zum 7. Jahrgang durften wählen, ob sie ihr Kind in die Schule schickten oder es zu Hause am Distanzunterricht teilnehmen ließen. Ab Klasse 8 war Distanzlernen angeordnet.

Ab dem 11. Januar, dem ersten Schultag nach den (verlängerten) Weihnachtsferien, gilt Distanzunterricht für alle Jahrgänge, auch für Abschlussklassen. Für Kinder bis zur 6. Klasse bieten alle Schulen jedoch Notbetreuung an (keinen Unterricht), auch generell sind die Schulen nicht verschlossen, und es herrscht kein Betretungsverbot.

Symbolbild Pixabay

Noch weniger gilt „geschlossen“ für die Kindertagesstätten in NRW: Sie gingen am 11. Januar im „Pandemiebetrieb“ und bieten reduzierte Betreuung (jeweils um 10 Stunden) für Eltern, die keine Möglichkeit haben, ihre Kinder zu Hause zu betreuen.

Anders als im Frühjahr müssen die Eltern aber keinen „Betreuungsnotstand“ anhand „systemrelevanter Berufe“ nachweisen, es genügt ihre Aussage. Das führt dazu, dass manche Kitas (auch im Kreis Unna) 50 Prozent und mehr der regulären Kinderzahl betreuen.

Die Regelung für Kitas wie für Schulen wird nach dem Auslaufen der bisherigen Frist (31. 1.)bis zum 14. 2. 2021 unverändert fortgesetzt.

Ein dezenter Hinweis darauf, dass auch die Kontaktbeschränkungen in der neuen Fassung der Coronaschutzverordnung wieder nur in der Öffentlichkeit gelten, versteckt sich auf dieser Grafik des Landes NRW: die beiden Figuren tragen rustikales Outdoor-Outfit. Das Coronavirus, das zwischen ihnen schwebt, könnte auch als Schneeflocke durchgehen.

„Man darf sich zu Hause nur noch mit einer weiteren Person / einem Freund treffen, man darf nur nicht mehr zu zweit die Großeltern besuchen!“

Um keine Vorschrift in der Coronaschutzverordnung des Landes werden mehr Halbwahrheiten und schlichterdings Lügen in die Welt gesetzt als um die „erlaubten Kontakte im Privaten“.

Das mag beim privaten Weitererzählen noch verständlich sein (wer steigt schon noch durch die seitenlange Coronaschutzverordnung mit ihren ständigen Anpassungen und Neufassungen durch bzw. liest sie in Gänze – zumal sie typisch behördendeutsch und vielfach fast kryptisch formuliert daherkommt). Doch auch kommunale Behörden, Polizeistellen und öffentlich-rechtliche Medien mit gemeinhin hohem Vertrauensgenuss ob ihrer Glaubwürdigkeit verbreiten seit der ersten Fassung der Coronaschutzverordnung hartnäckig die Mär, Kontakte (über die in der Verordnung fixierten Zahl hinaus) seien auch zu Hause in den eigenen vier Wänden verboten.

Ganz klar und deutlich: Das stimmt nicht.

Der private Raum war bereits in der ersten Fassung der Coronaschutzverordnung (durch Paragraf 1 Absatz 5) vom Gültigkeitsbereich der Verordnung ausgenommen. Dieser erstreckte und erstreckt sich ausschließlich auf den öffentlichen Raum gilt (z. B. Treffs im Park, in der Stadt, bei Spaziergängen) und schießt den privaten Bereich explizit aus.

Auszug aus der Coronaschutzverordnung NRW in der Fassung vom 31. 12. 2020 bis 14. 2. 2021).

Polizeikontrollen zu Hause? Innenminister Reul wie Vize-Ministerpräsident Stamp sagen: „Nein!“

Die sogenannte „Unverletzlichkeit der Wohnung“ ist in Artikel 13 Grundgesetz geregelt. Das Gesetz dient dem Schutz der räumlichen Privatsphäre vor Eingriffen des Staates.  Ähnlich wie bei der Meinungs- oder Glaubensfreiheit handelt es sich um ein Freiheitsrecht.

Erst vor wenigen Wochen hatte Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp vor der Presse erneut unterstrichen: „Wir schicken nicht die Polizei in die Wohnzimmer. Daran ändert sich nichts.“

Und NRW-Innenminister Herbert Reul hatte bereits bei der Vorstellung der Polizeistrategie für die Vorweihnachts- und Weihnachtszeit im November betont: „Wir gehen nicht in private Wohnungen. Es sei denn, in den Wohnungen gibt es Vorkommnisse, die das nötig machen.“

Dies gilt gemäß dem NRW-Polizeigesetz allerdings ohnehin immer. Dort heißt es in Paragraf 41:

Nun enthält die Coronaschutzverordnung in ihrer aktuellen Fassung zwar auch ein generelles Verbot von Partys und Feiern, egal wo diese stattfinden. Da jedoch auch dieser Passus wiederum Bestandteil jener Verordnung ist, die laut Par. 1 ausschließlich für den öffentlichen Raum gilt, dürfte bei entsprechenden Kontrollen und Bestrafungen zumindest eine genauere juristische Betrachtung erfolgen können.

Übrigens ist das Land NRW mit dieser oftmals als „zu lasch“ kritisierten Beschränkung auf den öffentlichen Raum in bester Gesellschaft: Die allermeisten anderen Bundesländerwahren ebenfalls den grundgesetzlichen Schutz des Privatbereichs, von Hessen über Baden-Württemberg bis Rheinland-Pfalz.

Nur einzelne (Bayern oder Sachsen) erklären ihre Verordnungen ausdrücklich auch im privaten Raum für geltend. Bayern hat zugleich auch ein im Vergleich zu NRW schärferes Polizeigesetz.

„Bleibt zu Hause!“ #Stay at home“

Unter dem Hashtag „#Stayhome“, „#WirbleibenzuHause“ und ähnlichen Slogans wurden im ersten Shutdown im Frühjahr und Frühsommer 2020 regelrechte Medienkampagnen gestartet im Bestreben, die Kontakte der Menschen zu reduzieren und die erste Welle der Infektionen unter Kontrolle zu bringen.

Die zweifellos gerechtfertigte, sinnvolle und auch in der schon ersten Coronaschutzverordnung fixierte Maxime der Kontaktreduzierung wurde durch das stakkatohaft wiederholte „Bleibt zu Hause!“ zunehmend verzerrt und schließlich in der öffentlichen Wahrnehmung zur irrigen Annahme verbogen, man „dürfe nicht mehr vor die Tür gehen“ bzw. sich nur noch auf dem eigenen Grundstück aufhalten.

Unsere Redaktion erntete an einem herrlich sonnigen Frühsommer-Sonntag 2020 wüste Beschimpfungen eines Facebook-Foristen, als wir Fotos von einer (einsamen) Solo-Radtour durch Feld und Wiesen posteten und unsere Leser fragten, wo sie selbst – mit Abstand – diesen schönen Tag verbrächten. „Ihr ruft öffentlich zum Regelverstoß auf“, empörte sich besagter Forist, und nichts konnte ihn von seiner Überzeugung abbringen. Er kündigte uns schließlich erbost die Gefolgschaft auf. – Gut, das können wir nicht nachprüfen, ob er uns wirklich nicht mehr folgt.

Jedenfalls gab es nie eine landesweite Ausgangssperre in NRW, es gab in NRW auch nie generelle Ausgangsbeschränkungen. Einzelne, von Kommunen verhängte Beschränkungen gab es: So erließ etwa die Stadt Wuppertal vor Weihnachten aufgrund massiv gestiegener Infektionszahlen ein nächtliches Ausgangsverbot.

In der Coronaschutzverordnung NRW werden jedoch immer nur die Kontakte begrenzt, die man in der Öffentlichkeit (beim Spazierengehen, beim Sportmachen etc.) haben darf. Es wird nicht und wurde nie ein Verbot verhängt, an die frische Luft zu gehen oder sich überhaupt von seinem Wohnort weg zu bewegen.

Letzteres bis auf eine Ausnahme, zu der wir abschließend kommen – und die restlos für Verwirrung sorgte: die 15-Kilometer-Regel.

In Corona-Hotspots kann der Bewegungsradius der Bürger auf 15 km ab Kreis- oder Stadtgrenze limitiert werden. Aber es gibt viele Ausnahmen. (Symbolbild RB)

„Die 15-km-Regel gilt nicht in NRW!“

Doch, tut sie. Das kann man allerdings wirklich durcheinanderwerfen: Denn die schon berüchtigte „15-Kilometer-Corona-Leine“, die den Bewegungsradius der Bürger auf 15 km rund um die eigenen Kreisgrenzen beschränkt, wurde zuerst von Ministerpräsident Armin Laschet für NRW zurückgewiesen, schlich sich dann aber doch noch nachträglich durch eine „Allgemeinverfügung“ ein,

Die Verordnung, die seit Dienstag (12. 1. 2021) gültig ist, soll „den Kommunen einen rechtssicheren Rahmen für die Umsetzung der 15-Kilometer-Regelung“ geben, erläutert Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Denn,

„… klar ist: Eine Begrenzung des persönlichen Bewegungsradius auf 15 Kilometer stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Dieser ist nach der Rechtsprechung nur bei nachhaltig hohen Inzidenzen und nur auf Grundlage einer sicheren Datenbasis vertretbar.”

Ziel der räumlichen Beschränkung sei es, so Laumann, das Infektionsgeschehen einzudämmen und nicht in andere Gemeinden zu „exportieren”.

Damit die Einschränkung greift, ist Folgendes erforderlich:

  • Der betreffende Kreis bzw. die kreisfreie Stadt weist eine 7-Tages-Inzidenz von „nachhaltig“ über 200 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern auf.
  • Das Infektionsgeschehen lässt sich nicht auf lokale Ausbruchherde begrenzen, sondern ist „diffus“.

Für die Bewohner dieser Regionen gilt:

Sie dürfen ohne Einschränkung nur noch innerhalb ihres Kreises bzw. kreisfreien Stadtgebietes bewegen. Das heißt für den Kreis Unna: Auch ein Bürger aus Schwerte am Südzipfel des Kreises darf bis nach Selm im Norden fahren, auch wenn dies deutlich weiter ist als 15 Kilometer.

Als Beginn der 15-km-Begrenzung gelten die Grenzen des Kreisgebietes oder des Stadtgebietes (bei kreisfreien Städten).

Die gleiche räumliche Bewegungseinschränkung gilt für das Hineinfahren in solche „Hotspots“ von außerhalb: Personen, deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht im jeweiligen Stadt-/Kreisgebiet liegt, dürfen sich in diesem Gebieten nur bewegen, wenn sie sich dabei nicht weiter als 15 km von ihrem Heimatort wegbewegen.

Ausnahmen gelten für:

  • Fahrten zur Arbeit
  • Besuche bei und von engen Familienmitgliedern, Lebensgefährten und vergleichbar nahestehenden Personen
  • das Aufsuchen von Pflege- und Gesundheitsreinrichtungen
  • Reisen zur Erledigung „beruflicher, dienstlicher, ehrenamtlicher oder vergleichbarer Besorgungen“
  • Besuch von Schulen, Kindertagesbetreuung bzw. Notbetreuung oder eine Begleitung bei diesem Besuch
  • Besuch von Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
  • die Übernahme pflegerischer, unterstützender und betreuender Tätigkeiten für andere Personen,
  • die Inanspruchnahme von medizinischen, pflegerischen und sonstigen nicht dem Freizeitbereich zuzuordnenden Dienstleistungen
  • Fahrten aus ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Gründen.

Es sind nur Ausnahmen für Tätigkeiten erlaubt, die selbst auch nach der Coronaschutzverordnung zulässig sind.
Verstöße gegen die Coronaregionalverordnung werden als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales steht mit den betroffenen Kommunen im direkten Austausch und klärt im Vorfeld, ob es sich um ein flächendeckendes oder ein klar eingrenzbares Infektionsgeschehen handelt. Die Regelungen gelten nur für die Kommunen, die nach der Prüfung des Infektionsgeschehens ausdrücklich in der Verordnung aufgeführt sind. Die Regionalverordnung wird dementsprechend regelmäßig angepasst werden.

Die Coronaregionalverordnung finden Sie hier.

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