Expertenrat NRW warnt: Coronapolitik droht „Bevölkerung als Ganzes nicht mehr zu erreichen“

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„Diese Politik läuft Gefahr, die Bevölkerung als Ganzes nicht mehr zu erreichen und zu überzeugen.“

Das Corona-Expertengremium aus NRW ermahnt die Bundesregierung, ihre künftigen Coronaregeln triftiger zu begründen und nachvollziehbarer zu machen. Statt eines bereits kolportierten „Mega-Lockdowns“ mit u. a. nächtlicher Ausgangssperre (am Dienstag, 19. 1., beraten Ministerpräsidenten und Kanzlerin darüber) fordern die Forscher von der Politik, erst einmal wesentliche Fragen zur Pandemie zu beantworten.

  • Update zu den wahrscheinlichen Verschärfungen. Der „Tagesspiegel“ (Onlineausgabe) meldete am Abend des 18. 1: „Einen von der „Bild“-Zeitung so titulierten „Mega“-Lockdown wird es nicht geben. Eine Verlängerung um erstmal nur zwei Wochen soll genutzt werden, um die Mutante B117 in den Griff zu bekommen.“ Umstritten ist auch die nächtliche Ausgangssperre nach bayrischem Vorbild (21-5 Uhr), diese sehen viele Ministerpräsidenten unter einer Inzidenz von 200 als unverhältnismäßig an. „Klar ist aber“, berichtet die Zeitung, „Restaurants, Kneipen, Fitnessstudios und Kultureinrichtungen werden noch wochenlang, vielleicht bis Ostern, geschlossen bleiben.“

Das von Ministerpräsident und Neu-CDU-Chef Armin Laschet berufene Gremium besteht aus 12 interdisziplinär aufgestellte Experten. Virologie, Ökonomie, Soziologie sind vertreten, namentlich Virologe Prof. Hendrick Streeck oder der bekannte Ökonom Michael Hüther.

In ihrer bislang vierten Stellungnahme (HIER zu lesen) zum Umgang mit der Pandemie warnen die Experten vor einer Politik, die Gefahr laufe, die Bevölkerung „als Ganzes nicht mehr zu erreichen und zu überzeugen“.

Schon jetzt mehren sich Meldungen von Regelüberschreitungen – von nicht erlaubtem Haareschneiden in einem Schwerter Keller bis zur verbotenen Hochzeitsfeier mit 30 Gästen in einer Wohnung im Märkischen Kreis.

Immer schärfer, so mahnen die Experten, kristallisierten sich in der Gesellschaft Extreme heraus:

„Corona-Leugner am einen Ende, Lockdown-Fanatiker am anderen Ende.“

Daher müsse die Poliltik ihre gewählte Strategie besser begründen und realistische Ziele formulieren statt im Monats- bis Wochenrhythmus situativ auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren.

Es sei ein „ermüdendes Narrativ, die Krise könnte diesmal durch diese, oftmals allzu unspezifische Maßnahme langfristig bewältigt werden“. Statt dessen müssten sich die künftigen Maßnahmen an der Frage orientieren: „Wie können wir, öffentlich und privat, langfristig mit diesem Virus leben?“

Damit wenden sich die Wissenschaftler klar gegen Forderungen, die Infektionsrate mit einem vollständigen Lockdown auf Null herunterzufahren.

Sie fordern statt dessen:

  • Möglichst zügige und vollständige Impfungen
  • Ausgearbeitete Schutzkonzepte für Alten- und Pflegeheime
  • Konsequent Masken im öffentlichen Raum
  • Überprüfbare Hygienekonzepte
  • Eine differenzierte Teststrategie

All dies könne die Pandemie auf ein „hinnehmbares Maß“ bringen.

Über die bisherigen Shutdown-Maßnahmen urteilt der Expertenrat: „Die allgemeine präventive Strategie des Lockdowns hat den vulnerablen Gruppen – Menschen in Alten- und Pflegeheimen sowie grundsätzlich im höheren Alter – nicht ausreichend geholfen.“ Zugleich stünden viele wirtschaftliche Existenzen in den geschlossenen Branchen vor der Aussichtslosigkeit.

Der Expertenrat fordert daher, statt eines Komplett-Lockdowns drei zentrale Fragen zu klären:

1. „Wie erfassen wir Struktur und Dynamik des epidemiologischen Geschehens besser?“ Will meinen: Intensiver forschen, auch nach der Wirkung bestimmter Maßnahmen, statt im Nebel zu stochern.

2. „Wie können wir eine stärker differenzierte Strategie ermöglichen?“ Will heißen: Weg von der eindimensionalen Debatte „pro oder contra Lockdown“. Eingriffe in den Alltag der Bürger müssten nicht nur einleuchten, sondern auch praktisch umsetzbar sein.

3. „Wie kann es gelingen, die Umsetzungsdisziplin staatlicher Stellen zu erhöhen? Was nützen Maßnahmen, wenn sie vor Ort nicht umgesetzt werden können? Der jahrelange Rückstand der staatlichen Verwaltung bei der Digitalisierung erweise sich jetzt als zusätzliche Bürde.

Der Rückstand zeige sich „bei der Nachverfolgung der Infektionsketten durch die Gesundheitsämter“ und „bei der Umsetzung der Hilfen für vom Lockdown betroffene Branchen“. Die Diagnose sei ernst: „Es ist oftmals nicht der gute Wille oder die konzeptionelle Zielsetzung, die vor Ort fehlt, sondern neben mangelnder Führung die unzureichende technische Kompetenz und Stringenz.“

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