#Wirmachenauf – unter diesem Hashtag hat sich seit Jahresbeginn eine Bewegung in den sozialen Netzwerken formiert, die Geschäftsleute dazu aufruft, ungeachtet des verlängerten und verschärften Shutdowns und ohne Rücksicht auf rechtliche Risiken wieder zu öffnen.
War ursprünglich der heutige Montag (11. 1.) für den Start der bundesweit angelegten Protestaktion vorgesehen, soll sie nun – ohne Angabe von Gründen – erst am Folgemontag beginnen, dem 18. Januar.
Der Initiator, Kosmetikstudiobetreiber Macit Uzbay aus Krefeld, erklärte in seinem Aufruf: „Eine weitere Verlängerung wird nicht mehr akzeptiert.“
„Hilfeschrei, Wut und Verzweiflung“
Eine Massenbewegung zu generieren sei eigentlich gar nicht sein Ziel gewesen, schreibt „Focus“ am Sonntag (10. 1.), Uzbay wollte nichts anderes, als sein Kosmetikstudio wieder aufzumachen. Inzwischen soll er abgetaucht sein, aufgrund des Rummels um seinen Aufruf nicht einmal mehr als Telefon gehen.
„Auf seiner Website geht derweilen die Post ab“, heißt es in dem Focus-Artikel. „Ein Mitglied schreibt verzweifelt: ,Mein Gewerbe wurde durch Anordnung aufgehoben, ein Bußgeldbescheid über 21.000 Euro liegt auf dem Tisch und Haftandrohung ebenfalls. Anwaltliche Hilfe finde ich nicht, von 20 Anwälten 20 Ablehnungen und meine Rechtsschutzversicherung zahlt wegen rechtlicher Verstöße keinen einzigen Pfennig und hat den Vertrag wegen Rechtsbruch ebenfalls gekündigt.“
Auch das Schicksal des bayerischen Sportartikelhändlers Udo Siebzehnrübl kursiert im Netz: Er wollte am heutigen Montag zumindest zwei seiner fünf Intersport-Läden wieder öffnen.
„Ich bin kein Corona-Leugner und kein Querdenker“, wurde Siebzehnrübl zitiert. Aber sein Familienunternehmen mit 100 Mitarbeitern mache Millionenverluste, er habe das Lager voller Winterware und vom Staat seit März gerade einmal 15.000 Euro Hilfe bekommen. Doch seine Protest-Öffnung wird er jetzt doch nicht durchziehen: Die rechte Szene habe die Aktion für ihre Zwecke ausgenutzt. In dieses Fahrwasser wolle er nicht gezogen werden. Er trete von seiner Ankündigung wieder zurück.
Der Handelsverband Bayern sah in der Aktion einen „Hilfeschrei“, der die Wut und Verzweiflung unzähliger Einzelhändler zeige, die um ihre Existenz kämpften. Während das Gastgewerbe Umsatzausfälle durch die Novemberhilfe zu 75 Prozent ersetzt bekomme, lasse die Politik den Handel „am ausgestreckten Arm verhungern.“
„Es ist ein Hilfeschrei an die Öffentlichkeit und auch an die Politik, etwas zu ändern“, erklärte der Verbandssprecher dem Bayrischen Rundfunk (BR). Gerade Sporthändler, Textileinzelhändler oder auch Schuhhändler hätten Millionen an Artikeln Winterware und keine Möglichkeit, diese an die Kundinnen und Kunden zu bringen.
Gleichwohl sei das Öffnen der Geschäfte trotz Shutdown ein offener Rechtsbruch, aus diesem Grund unterstütze der Verband die Aktion auch nicht.
Wie ist die Rechtslage?
Gemäß der Straf- und Bußgeldvorschriften gem. Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind drastische Strafen zu erwarten:
- Bußgeld bis 2.500 Euro gem. § 73
- Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe gem. § 74
- Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe gem. § 75
- Einziehung von Gegenständen gem. § 76
Ein Hamburger Rechtsanwalt stellte am 6. Januar gegenüber dem Nordkurier fest, dass der Shutdown gegen das EU-Recht verstoße, speziell Art. 21, 28, 49 und 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union:
„Die Beschränkungen der Freiheitsrechte werden von Großkonzernen und Politik genutzt, um dauerhaft Freiheitsrechte auszuhebeln.“
Die Behörde, die in die Dienstleistungsfreiheit … eingreife, sei in der Darlegungs- und Beweislast. Sie müsse gegenüber dem Bürger und den Gerichten ihren Verstoß gegen die höherrangigen EU-Freiheitsrechte legitimieren. Unternehmer, die das Risiko eingehen und ab dem 11. Januar ihre Geschäfte trotz Shutdown öffnen, müssen nicht nur mit den schon genannten Bußgeldern rechnen (die mit 5.000 bis 25.000 Euro pro Tag möglicherweise noch kalkulierbar wären, wenn die Alternative „Insolvenz“ lautet): Es droht darüber hinaus die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO, die für manchen Unternehmer zur dauerhaften Schließung führen wprde.
„Juristisch interessant ist jedoch, dass der Aufruf zu Straftaten nach § 111 StGB (bis 5 Jahre Freiheitsstrafe) angeklagt werden könnte“, heißt es in einer juristischen Bewertung der Problematik auf einem Anwaltsportal.
Denn: Das Infektionsschutzgesetz sehe Strafbarkeit vor, wenn zu bestimmten Bußgeldtatbeständen eine Verbreitung des Virus komme. Die nur fahrlässig verursachte Folge müsse für eine Anstiftung oder einen Aufruf nicht nachgewiesen, noch nicht einmal eingetreten sein, warnen Juristen.
Dennoch ermuntern immer mehr Gruppen in den sozialen Netzwerken unter #wirmachenauf dafür aussprechen, Geschäfte aufzusperren – Shutdown hin oder her.
Beim Kurznachrichtendienst Twitter gibt währenddessen es zur Aktion #wirmachenauf bereits die Gegenbewegung #wirmacheneuchdicht.